Funktionen von Aufgaben

Einleitung. Im Unterricht können Aufgaben zum Erwerb von neuem Wissen und neuen Kompetenzen eingesetzt werden. Beim Üben von neuen Inhalten und bei deren Vernetzung mit bereits Bekanntem werden Aufgaben sogar als selbstverständlich angesehen (vgl. Brichzin, 2014, S. 27). Aber auch in anderen Situationen wie z.B. in Klausuren oder in der Diagnostik spielen Aufgaben eine zentrale Rolle. Je nach Situationen sollen Aufgaben im Unterricht verschiedene Funktionen erfüllen: Sie können beispielsweise zum Üben, Wiederholen, Bewerten, Prüfen, Diagnostizieren und zu vielem mehr eingesetzt werden. In diesem Kapitel werden die verschiedenen Situationen, in denen Aufgaben genutzt werden, sowie einzelnen Funktionen, die Aufgaben erfüllen können, genauer betrachtet. Lernsituationen. Zentral im Unterricht steht das Lernen. Lernen bezeichnet dabei einen Prozess, in dem es um den Erwerb von neuem Wissen, Kompetenzen, Können, Vorstellungen und/oder Überzeugungen geht. Zudem erfordert Lernen eine intensive, aber vor allem eine aktive Auseinandersetzung und Benutzung des Lernstoffes (vgl. Kunter, 2013, S. 25ff.), welches beispielsweise durch das eigene Erstellen eines Lernproduktes ermöglicht wird. Die Aneignung des Wissens bzw. der Kompetenzen erfolgt dabei individuell auf der Basis der Lernvoraussetzungen und des bereits vorhandenen Vorwissens der Schüler*innen (vgl. AKBSII, 2016, S. 13). Zusätzlich zum Kompetenzerwerb, welcher durch aktives Handeln, wie dem Erkunden, Erfinden und Entdecken (siehe Entdeckendes Lernen), gekennzeichnet ist, sollte auch dem Vertiefen und dem Ausbau der Kompetenzen durch Zusammentragen, Sichern und Systematisieren, aber auch dem Kompetenzerhalt, welcher zumeist durch Üben und Wiederholen geprägt ist, genügend Aufmerksamkeit im Unterricht geschenkt werden (vgl. Hellmig, 2014, S. 96 und Büchter, 2005, S. 114). Dabei sind in Lernsituationen Fehler ausdrücklich zugelassen, regen sie doch zu einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Lernstoff an und somit zu einem tieferen Verständnis. Das Ziel ist es jedoch, mit fortschreitendem Lernprozess die Anzahl der Fehler zu reduzieren und entsprechende Lücken zu schließen. Lernaufgaben fokussieren sich somit auf den Prozess des Lernens und auf die Konstruktion, Entwicklung und Vertiefung von Kompetenzen (vgl. Leisen, 2013, S. 8). Leistungs- und Prüfungssituationen. Neben den Lernsituationen gehören aber auch Leistungssituationen zum Unterricht dazu. Anders als in Lernsituationen geht es in Leistungssituationen darum, bereits erworbene Kompetenzen zu demonstrieren. Für Schüler*innen ist in einer Leistungssituation das Ziel, eine Aufgabe oder ein Problem richtig zu lösen, ohne dabei Fehler zu begehen, führen sie doch zu einem Nachteil für die/den Lernende(n) (vgl. Hellmig, 2014, S. 96). Die Ziele einer Leistungssituation können jedoch verschieden sein. Neben dem Prüfen, welches die klassische Leistungsmessung durch eine Lehrkraft darstellt (bspw. durch eine Klausur oder mündliche Prüfung), kann eine Leistungssituation auch von den Lernenden selbst gestaltet werden. Dazu kann beispielsweise das Anwenden von Wissen gehören, welches zu einem motivierenden Kompetenzerleben führen kann, aber auch eine Selbstüberprüfung durch die Lernenden (vgl. AKBSII, 2016, S. 13). Weiterhin kann einer Leistungssituation auch die pädagogische Diagnostik zugrunde liegen, welche die Entwicklung der Kompetenzen der Lernenden im Zentrum hat (vgl. Büchter, 2005, S. 166). Zudem gibt die Diagnose des Leistungsvermögens und der Entwicklung der Schüler*innen Hinweise für die weitere Gestaltung des Lehr- und Lernprozesses und dient auch der Reflektion des vorangegangenen Lehr-Lern-Prozess und des eigenen Unterrichts. Das Prüfen ist eine konkrete Situation zur Leistungsmessung und Überprüfung des Wissens. Da Leistungssituationen deutlich vielfältiger sind werden wir im weiteren Verlaufe dieses Kapitels Leisten und Prüfen als zwei unterschiedliche Situationen handhaben. Beide Situationen erfordern zudem etwas unterschiedliche Arten von Aufgaben. Lernen/Leisten/Prüfen. Somit ergeben sich drei Situationen im Unterricht, für die unterschiedliche Aufgaben benötigt werden: Lernen. Leisten. Prüfen. Das Verhältnis von Lernaufgabe, Leistungsaufgaben und Prüfungsaufgaben sieht wie folgt aus (nach AKBSII, 2016, S. 13). Lernen beschreibt eine Menge an Aufgaben. Eine Untermenge von Lernen bildet das Leisten. Prüfen bildet wiederum eine Untermenge von Leisten und entsprechend auch von Lernen. Wie in der Grafik zu sehen ist, können Prüfungsaufgaben auch zum Leisten oder Lernen genutzt werden und Leistungsaufgaben könnten ebenso auch zum Lernen verwendet werden (z.B. zum Kompetenzerhalt). Jedoch sind nicht alle Lernaufgaben zum Leisten oder Prüfen geeignet und nicht alle Leistungsaufgaben können auch zum Prüfen genutzt werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Lehrkraft für eine verständlich und für die Schüler*innen transparente sowie nachvollziehbare Trennung von Lern- und Leistungssituationen sorgen muss. Nach Meyer (2009, S. 113ff.) gehören eine klare Leistungserwartung und somit auch klare Leistungssituationen zu den Merkmalen von gutem Unterricht. Aufgaben zum Lernen. Wie in den vorherigen Kapiteln dargestellt wurde, setzt sich der Unterricht aus verschiedenen Situationen zusammen. Demnach sind, je nach Situation, auch verschiedene Aufgaben mit verschiedenen Zielen und Charakteristiken notwendig (vgl. Hellmig, 2014, S. 96). Lernaufgaben verfolgen dabei das Ziel, den Lernprozess durch geeignete Aufgabenstellungen, Materialien und Methoden zu steuern und eine konstruktive Lernumgebung zu schaffen. Dabei wird auf eine Moderation des Lernprozesses durch die Lehrkraft weitestgehend verzichtet. (vgl. Leisen, 2013, S. 7). Stattdessen sollte der Lernprozess von den Lernenden selbst moderiert werden, sodass dieser möglichst individuell gestaltet werden kann und jedem Schüler/jeder Schülerin ermöglich wird, ihren eigenen, selbstbestimmten Lernweg zu gehen (vgl. Hellmig, 2014, S. 97). Dadurch können die Lernenden eigenständig Problemstellungen entdecken, Vorstellungen entwickeln, die Lernmaterialien bearbeiten und sich aktiv den Lerninhalten widmen. Aufgaben zum Lernen sollten somit als Anlass für eine selbstständige und aktive Auseinandersetzung von Lernenden mit dem Lernstoff gesehen werden. Dafür muss solch eine Aufgabe möglichst offen gestaltet sein (vgl. AKBSII, 2016, S.13), denn nur so können Schüler*innen ihren eigenen Ideen und Gedanken folgen. Indem so eine passende Lernumgebung bereit gestellt wird, ermöglichen Lernaufgaben selbstbestimmte und vor allem individuelle Lernwege. Damit sind Schüler*innen in der Lage ihren Kompetenzaufbau und ihren Lernprozess (beispielsweise durch gestufte Aufgabenstellungen) selber zu steuern (vgl. Leisen, 2013, S. 7). Des weiteren sollten Lernaufgaben dem konstruktivistischen Ansatz folgen und die Schüler*innen zu selbstständigen Arbeiten anregen, aber auch das Verknüpfen mit Vorwissen, beispielsweise durch das bewusste Anwenden des Wissens, ermöglichen (vgl. AKBSII, 2016, S. 13). Eine formale Bewertung der Aufgabe, durch z.B. nur eine korrekte Lösung, ist dabei jedoch nicht erforderlich (vgl. AKBSII, 2016, S. 13), geht es hierbei doch um den Lernprozess und die Entwicklung der Schüler*innen und nicht um eine Überprüfung des Wissens. Darum sollte stets „der Prozess des konstruierenden Wissenserwerbs durch aktive Lerner im Fokus“ (AKBSII, 2016, S. 13)  der Lernsituation und somit auch der Lernaufgabe stehen. Aufgaben zum Leisten und Prüfen. Aufgaben zum Leisten. Leistungsaufgaben dienen der Kontrolle des Lernprozesses. Sie ermitteln den Lernstandes eines Lernenden in Bezug auf das im Lernprozess angeeignete Wissen und die erworbenen Kompetenzen (vgl. Leisen, 2013, S. 7). Um das Wissen der Schüler*innen abfragen zu können, müssen die Aufgaben präzise und eher geschlossen sein. Die Aufgaben sollten formal bewertbar sein, beispielsweise durch eine konkrete Lösung oder durch einen konkret formulierten Erwartungshorizont. Leistungsaufgaben sind daher meistens auch zum Üben und Wiederholen geeignet (vgl. AKBSII, 2016, S. 13). Durch eindeutige Lösungen können sie auch zur Selbstüberprüfung der Lernenden eingesetzt werden. Grundsätzlich sollte durch eine Leistungsaufgabe ein Leistungsprodukt erstellt werden unter einer aktiven Verwendung des erworbenen Wissens und der erlernten Kompetenzen während des Lernprozesses (vgl. Leisen, 2013, S. 8).   Aufgaben zum Prüfen. Aufgaben zum Prüfen werden ebenfalls dazu eingesetzt, den Leistungsstand der Schüler*innen zu ermitteln und zu überprüfen. Gleichzeitig dienen sie aber auch dazu, ein Feedback über den Lehr- und Lernprozess der Lernenden geben zu können (vgl. Brichzin, 2014, S. 27). Zum Zwecke einer transparenten und nachvollziehbaren Bewertung sollten solche Aufgaben weitestgehend geschlossen sein, damit klare Bewertungskriterien formuliert werden können. Des weiteren sollten Teilaufgaben größtenteils unabhängig voneinander sein und darauf geachtet werden, dass sich die Aufgaben auf die wesentliche Inhalte fokussieren. Dabei muss jedoch auch auf die Ausgewogenheit der geforderten Leistungsbereiche geachtet werden (vgl. AKBSII, 2016, S. 13). Übersicht Funktionen von Aufgaben. In der folgenden Tabelle sind die einzelnen Charakteristiken der verschiedenen Funktionen von Aufgaben noch einmal übersichtlich dargestellt (vgl. AKBSII 2016, S. 13 und Leisen, 2013, S. 7ff.). Aufgaben zum Lernen: meist offen. Lernprozess steht im Vordergrund. nicht formal bewertbar. Fehler erlaubt/erwünscht. Bauen neues Wissen und Kompetenzen auf, prägen Wissen aus, erhalten Wissen. Aufgaben zum Leisten: eher geschlossen und präzise, gewisser Grad der Offenheit ist trotzdem möglich. Auf Lernergebnisse ausgerichtet. Formal bewertbar. Fehler nachteilig/unerwünscht. Überprüfen Wissen und Kompetenzen, sind aber auch zum Üben und Wiederholen geeignet. Aufgaben zum Prüfen: Geschlossen/sehr begrenzter Grad der Offenheit. Auf Lernergebnisse ausgerichtet. Transparente und nachvollziehbare Bewertung. Fehler nachteilig/unerwünscht. Konzentration auf die Abfrage/Überprüfung wesentlicher Inhalts- und Prozesskompetenzen. Beispiele. Aufgabe zum Lernen. Modellieren und Implementieren Sie eine Datenbank, die zur Verwaltung eines Zoos dient und füllen Sie sie mit Datensätzen. Diese Aufgabe ist zum Lernen geeignet, da sie: offen ist und viele unterschiedliche Lösungen zulässt. selbstbestimmte Lernwege zulässt; die Schüler*innen könne ausprobieren, Irrwege gehen und ihren eigenen Ideen folgen. eine Lernumgebung bereit stellt, in denen alle Schüler*innen gemäß ihren Kompetenzen/ ihres Wissens arbeiten können und ihren Lernprozess selbst steuern können (z.B. wie komplex/umfangreich ihre Datenbank wird). das selbstständige Arbeiten der Schüler*innen fordert und sie ihr erworbenes Wissen aktiv anwenden müssen. Aufgabe zum Leisten. Modellieren Sie für das folgende Szenario ein vollständiges ER-Diagramm mit Angabe der Primärschlüssel und der Kardinalitäten. Erläutern Sie ihre Beziehungen. Ein Fußballspieler spielt in einer Mannschaft auf einer bestimmten Position. Neben Vor- und Nachnamen sollen auch das Geburtsdatum und seine Rückennummer gespeichert werden. Eine Mannschaft wird von einem oder mehreren Trainern trainiert. Neben dem Mannschaftsnamen soll auch die Sportart und die Anzahl von Spielern gespeichert werden. Diese Aufgabe ist zum Leisten geeignet, da sie: Kompetenzen/Wissen überprüft (wie man ein ER-Diagramm erstellt). präzise ist, aber trotzdem eine gewissen Offenheit hat (mit Begründung sind verschiedene Primärschlüssel und Kardinalitäten denkbar). auch zum Wiederholen geeignet ist. Diese Aufgabe könnte allerdings auch zum Prüfen, z.B. in einer Klausur, genutzt werden. Aufgabe zum Prüfen- Gegeben ist die Tabelle Schueler(SNr, Name, Vorname, Geschlecht, GebDatum, Klasse) mit dem Primärschlüssel SNr. Die Klasse 12a fährt demnächst auf Klassenfahrt und der Klassenlehrer muss überprüfen, welche seiner Schüler*innen bereits volljährig sind. Darum möchte er eine Tabelle haben, in der alle volljährigen Schüler mit Vornamen und Nachnamen gelistet sind. Formulieren Sie eine entsprechende SQL-Abfrage. Diese Aufgabe ist zum Prüfen geeignet, da sie: eine geschlossene Aufgabe ist. weitere Teilaufgaben zur gleichen Thematik zulässt, die aber unabhängig voneinander sind. eine nachvollziehbare und transparente Bewertung ermöglicht. sich auf die wesentlichen Inhalte konzentriert (SQL-Abfrage).

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