Fundamentale Ideen

Fundamentale Ideen

Bei der allgemeinen Informatik handelt es sich um eine sehr schnelllebige Disziplin. Bedingt durch Forschung und die digitale Transformation unserer Gesellschaft entstehen ständig neue Phänomene und Themen, die auch potenzielle Unterrichtsgegenstände sein könnten. Dies bringt die Frage hervor, welche Inhalte der allgemeinen Informatik Einzug in den Informatikunterricht halten sollten.

Schwill hat die Fundamentalen Ideen entwickelt, um grundlegende Bildungsinhalte aus den schulinformatischen Themen herauszufiltern und den Bildungswert eines Themas festzustellen. Ausgearbeitete Unterrichtsentwürfe zu Themen, welche diese Kriterien erfüllen, behalten beispielsweise ihre Relevanz über mehrere Jahre, obwohl die Fachinformatik einem ständigen Wandel unterzogen ist.

Nutzen Fundamentaler Ideen

Die fundamentalen Ideen der Informatik erleichtern den Lernprozess der Schüler*innen, indem wichtige Grundlagen zum besseren Verständnis des Unterrichtsgegenstandes didaktisch reduziert werden. Zudem verbinden die fundamentalen Ideen mehrere Bereiche der Informatik und sorgen damit für ein umfassendes Bild über die Zusammenhänge der Fachwissenschaft. Auch der nichtspezifische Transfer wird gefördert, da Folgerungen zwischen verschiedenen Fällen vollzogen werden können und Beziehungen hergestellt werden können. Der Abstand zwischen elementarem und fortgeschrittenem Wissen wird ebenfalls verringert. Dies erleichtert das Verständnis von zukünftigen Inhalten, da viele Grundlagen bereits in vereinfachter Form verstanden sind. Die langfristige Gültigkeit der vermittelten Themen ist gerade in der Informatik aufgrund ihrer Schnelllebigkeit von besonderem Wert. Erlerntes Wissen kann dadurch auch Jahre später noch angewendet werden (vgl. Schwill 1993, 2-4).

Eine genaue Erläuterung der Fundamentalen Ideen befindet sich auf den nächsten Seiten.

Die Kriterien dienen dazu fundamentale Ideen innerhalb der Schulinformatik zu finden. Nur dann, wenn ein Thema alle Kriterien erfüllt, ist es auch eine fundamentale Idee der Informatik. Im Folgenden werden die Kriterien der fundamentalen Ideen erläutert und jeweils auf das Beispiel der Klassifikation angewendet, welches eine fundamentale Idee darstellt.

Horizontalkriterium (kein Schulbezug)

Damit das Horizontalkriterium erfüllt ist, sollte die Idee an vielen Stellen in der Fachwissenschaft Informatik vorkommen und anwendbar sein. Zum Beispiel in der Programmierung, der Hardware und der Theorie. Zudem sollte die Idee eine tragende Rolle im Zusammenhang mit verschiedenen Themen besitzen. Die Idee sollte ebenso einfach wie durchschlagend sein (vgl. Schwill 1993, 24).

Beispiel anhand der Klassifikation:
In der Programmierung wird Klassifikation für die Einteilung von Objekten und Modulen benötigt.
In der Hardware kann man verschiedene Komponenten klassifizieren und in der theoretischen Informatik kann man Klassifikation zur Einteilung von Problemen in die Klassen NP-Vollständig, NP-Hart, NP und P nutzen.

Vertikalkriterium (kein Schulbezug)

Damit das Vertikalkriterium erfüllt ist, sollte die Idee auf jedem kognitiven Niveau (Grundschule, Mittelstufe, Oberstufe, Universität) vermittelt werden können. Der Unterschied auf den verschiedenen Ebenen besteht lediglich bei dem Niveau und der Detaillierung der Vermittlung (vgl. Schwill 1993, 24).

Beispiel anhand der Klassifikation:

In der Grundschule kann man Tiere in die Klassen Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische einteilen. In der Sekundarstufe 1 kann man Klassifikation im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz vermitteln und im Studium könnte man die Laufzeit verschiedener Klassifikationsalgorithmen vergleichen.

Zeitkriterium (kein Schulbezug)

Damit das Zeitkriterium erfüllt ist, sollte die Idee bereits zu Beginn des Faches von Bedeutung gewesen sein, aktuell von Bedeutung sein und auch in Zukunft einen wichtigen Bestandteil ausmachen (vgl. Schwill 1993, 24).

Beispiel anhand der Klassifikation:
In den Anfängen der Informatik war Klassifikation bereits in der Prädikatenlogik von Relevanz. Aktuell und in Zukunft spielt die Klassifikation vor allem im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz eine große Rolle.

Sinnkriterium (mit Schulbezug)

Damit das Sinnkriterium erfüllt ist, sollte es sich für die Schüler*innen lohnen sich mit der Idee zu beschäftigen. Die Idee muss einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler*innen haben (zur Sprache und dem Denken des Alltags) (vgl. Schwill 1993, 24).

Beispiel anhand der Klassifikation:
Das Verständnis der Klassifikation kann den Schülern*innen die Einteilung von Pflanzen in Bedecktsamer, Coniferopsida und Gingkopflanzen erleichtern.

Zielkriterium (mit Schulbezug)

Damit das Zielkriterium erfüllt ist, sollte die Idee der Annäherung an eine Zielvorstellung dienen. Hilfreiche Fragestellungen sind: Was ist die idealisierte Zielvorstellung, welche erreicht werden soll? Wie hilft der Inhalt diese grundlegende Vorstellung zu erreichen?
(vgl. Schubert & Schwill 2011).

Beispiel anhand der Klassifikation:
Mit der Klassifikation verbindet sich die übergreifende Zielvorstellung, dass sich alle Objekte einer definierten Klasse zuordnen lassen.

Repräsentationskriterium (mit Schulbezug)

Damit das Repräsentationskriterium erfüllt ist, sollte sich die Idee enaktiv, ikonisch und symbolisch darstellen lassen. Das Repräsentationskriterium ist keine der ursprünglich von Schwill formulierten Fundamentalen Ideen und wurde erst später hinzugefügt (vgl. Hartmann et al. 2006).

Beispiel anhand der Klassifikation:
Durch eine bildliche Darstellung von Objekten, welche ihrer Klasse zugeordnet werden, kann die Klassifikation ikonisch vermittelt werden. Für eine enaktive Variante sortieren die Schüler*innen ihre Stifte in die Klassen Filzstifte, Buntstifte und Kugelschreiber. Eine symbolische Vermittlung ist durch die Prädikatenlogik oder einen Programmcode möglich.

Abschließende Bemerkungen

Nach Schwill unterstützen die fundamentalen Ideen die Schule darin ein beständiges inhaltliches Konzept herauszuarbeiten, bei welchem die darin enthaltenen Inhalte gleichzeitig ihre Relevanz für aktuelle und zukünftige Entwicklungen in der Fachwissenschaft behalten. Dies ist aufgrund der schnellen Entwicklungen der Fachinformatik besonders bemerkenswert. Weiterführend empfiehlt er, Curricula der Schulinformatik mit Blick auf die fundamentalen Ideen zu entwickeln und Umsetzungsmöglichkeiten auf unterschiedlichen intellektuellen Niveaus zu entwerfen sowie weitere Forschung im Bereich der fundamentalen Ideen (vgl. Schwill 1993, S.28-29).

Die Masterideen von Schwill enthalten untergeordnete Fundamentale Ideen und leiten sich aus dem Softwareentwicklungsprozess ab. Schwill hat durch seine Hierarchisierung versucht verschiedene Fundamentale Ideen nach Ideengruppen zu ordnen (vgl. Schwill 1993, 20-31).

Die Masterideen sind Algorithmisierung, Strukturierte Zerlegung und Formalisierung. Ideengruppen der Masteridee Formalisierung sind beispielsweise Formale Sprache und Berechenbarkeit. Darunter sind letztendlich einige Fundamentale Ideen angeordnet. Eckart Modrow hat die Idee der Sprache erst zu einem späteren Zeitpunkt zu Formalisierung erweitert (vgl. Modrow 2006).

Mit der strukturierten Zerlegung sind die Ideen verbunden, mit deren Hilfe man die reale Welt analysiert und die modellrelevanten Eigenschaften ableitet. Das Modell wird anschließend auf der Basis einer Beschreibungssprache präzisiert und öffnet sich so weiteren syntaktischen und vor allem semantischen Analysen und Transformationen. Der dynamische Aspekt von Modellen, die Möglichkeit, sie zu simulieren, wird durch die Algorithmisierung erfasst. Die zugehörigen Ideen dienen dem Entwurf und dem Ablauf von Simulationsprogrammen, wobei die Simulation im weitesten Sinne zu verstehen ist ( vgl. Schwill 1993, 20-31).

Damit im Informatikunterricht der zuvor beschriebene Nutzen fundamentaler Ideen voll ausgeschöpft werden kann, sollte der Unterricht nach Bruner, nach dem Spiralprinzip organisiert sein. Dieses basiert auf drei Teilprinzipien. Das Prinzip der Fortsetzbarkeit besagt, dass vermittelte Inhalte so gestaltet werden müssen, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt auf höherem Niveau vertieft werden können. Ein späteres Umdenken durch zuvor vermittelte Halbwahrheiten sollte vermieden werden. Damit dieses Prinzip erfüllt ist können Variablen als Kisten für Informationen eingeführt werden. Bei einer späteren Vertiefung des Begriffs kann auf die ursprüngliche Vorstellung aufgebaut werden. Das Prinzip der Präfiguration von Begriffen besagt, dass informatische Begriffe vor der theoretischen Analyse, ikonisch oder enaktiv vorbereitet werden sollten. Um dieses Prinzip umzusetzen, könnte ein Sortieralgorithmus als erstes durch eine Abfolge von zu sortierenden Bildern dargestellt werden, bevor sich die Schüler*innen mit der Implementierung beschäftigen sollen. Das Prinzip des vorwegnehmenden Lernens besagt, dass auch anspruchsvolle Wissensgebiete bereits früh in einfacher Form behandelt werden sollten. Die Klassifikation aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz ist sicherlich ein komplexes Thema. Das grundlegende Prinzip der Klassifikation kann allerdings bereits Kleinkindern vermittelt werden (vgl. Schwill 1993, 11-13).

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