Bedingungsanalyse
Theorie
Die Bedingungsanalyse befasst sich mit den Merkmalen der Lerngruppe, des Lernortes und der Lehrkraft. Diese Merkmale sollten zuerst genannt werden. Anschließend wird erklärt, welche Bedeutung sie im Bezug auf die Unterrichtsstunde haben. Nicht in die Bedingungsanalyse gehören Merkmale, die keinen Einfluss auf die Unterrichtsstunde haben.
Das Verfassen einer Bedingungsanalyse soll der Lehrkraft helfen, sich der Ausgangsposition der Schüler*innen und der Rahmenbedingungen bewusst zu werden. Dieses Wissen ist von hoher Relevanz, wenn es in der Didaktischen Analyse darum geht, Lerninhalte für den Unterricht auszuwählen. Für die Selektion dieser Inhalte muss unter anderem stets abgewägt werden, ob sie realisierbar und für die Lerngruppe angemessen sind. (vgl. Klüver et al., 2012, S.16)
Da sich die Bedingungen einer Lerngruppe nicht von Stunde zu Stunde verändern, kann eine Bedingungsanalyse für einen größeren Zeitraum verfasst werden. Eine Bedingungsanalyse ist jedoch auch immer themenbezogen und lässt sich deshalb am besten für eine Unterrichtsreihe verfassen. (vgl. Meyer, 2018, S. 129 ff.)
Beim Verfassen der Bedingungsanalyse sollte mindestens auf folgende Aspekte eingegangen werden:
Rahmenbedingungen (Zeit, Raumsituation, Anzahl der Schüler*innen, Stundenanzahl, verfügbare Medien, Material, PC’s, …), sofern relevant!
Fachliche Kenntnisse der Schüler*innen im Bezug auf das Thema
Sozialformen und Methoden, die sich in der Lerngruppe schlecht bzw. gut realisieren lassen
Interesse und Motivation der Schüler*innen im Bezug auf das Thema und Tätigkeiten
Schwierigkeiten, die Schüler*innen im Allgemeinen und im Speziellen (bezogen auf die Lerngruppe) mit dem Thema haben
Schüler*innen mit Vorwissen, besonderen Begabungen, Kenntnissen oder auch Schüler*innen mit Lernschwächen, Einschränkungen
Soziale Gegebenheiten (Schüler*innen – Schüler*innen sowie Schüler*innen – Lehrkraft)
Besondere Fähigkeiten und Interessen der Lehrkraft
Beispiel
Eine Bedingungsanalyse zum Thema Berechenbarkeit:
In der Jahrgangsstufe 13 werden im Grundkurs drei Stunden Informatik in der Woche unterrichtet. In diesem Jahr ist ein Grundkurs zustande gekommen. Darüber hinaus gibt es einen Leistungskurs Informatik.
Die meisten Schüler*innen meines Kurses belegten bereits in den Klassen 9 und 10 den Wahlpflichtkurs Informatik sowie in der Jahrgangsstufe 11 das Wahlfach Informatik und sind im Umgang mit Computern hinreichend geschult. Der Kurs ist seit fast anderthalb Jahren in dieser Zusammensetzung zusammen. Alle Schüler*innen habe ich zu Beginn der 12. Klasse neu übernommen.
Der Informatikunterricht findet im Computerraum 125 statt. In diesem Raum befinden sich 18 leistungsstarke Computer und der Raum bietet ausreichend Platz, so dass auch Gruppenarbeiten durchgeführt werden können. Des Weiteren befinden sich ein Beamer und ein Smartboard in diesem Raum, wodurch Demonstrationen des Lehrers oder der Schüler*innen sehr professionell gestaltet werden können.
Der Unterricht findet am Dienstagvormittag statt. Es sind die ersten Unterrichtsstunden des Tages. Die Schüler*innen sind noch ausgeruht, sehr motiviert und engagiert. Allerdings kommen diejenigen Schüler*innen, die die öffentlichen Verkehrsmittel zur Anreise nutzen, regelmäßig einige Minuten verspätet in den Unterricht.
Seit August letzten Jahres unterrichte ich den Kurs mit drei Stunden Informatik pro Woche. Einen Teil der Gruppe kenne ich aus dem von mir geleiteten Leistungskurs Mathematik. Das gemeinsame Arbeitsklima kann als angenehm beschrieben werden. Aufgrund der guten Unterrichtsatmosphäre fühle ich mich mit den Schüler*innen vertraut und als Lehrerin akzeptiert.
Der Kurs besteht aus 3 Schülerinnen und 7 Schülern im Alter zwischen 17 und 19 Jahren. Die Leistungsunterschiede sind im Folgenden dargestellt:
Die Schüler Felix B., Florian, Jan und Tobias sind die leistungsstärkeren Schüler des Kurses. Den sehr theoretischen und formalen Stoff dieses Halbjahres erfassten sie recht schnell und bereicherten den Unterricht durch konstruktive Beiträge. Auch gänzlich neue Unterrichtsinhalte erarbeiteten sie selbstständig und verwendeten den notwendigen Formalismus gekonnt. Die genannten Schüler haben auch privat vielfältige Erfahrungen im Umgang mit Computern sammeln können. Daher werden sie des Öfteren als ”Experten“ in meinem Unterricht eingesetzt und stehen in Arbeitsphasen den anderen Schüler*innen beratend zur Seite. Vor allem die Leistungssteigerung von Tobias ist beachtlich. Er möchte sich gerne in Informatik im Abitur mündlich prüfen lassen und strengt sich daher besonders an.
Alexandra und Kay sind eher zurückhaltend, arbeiten im Unterricht aber intensiv mit.
Die Schüler David und Felix M. stehen leistungsmäßig etwas hinter den anderen, sie können allerdings mit entsprechenden Hilfestellungen oder zusätzlichen Erklärungen den Lerngegenstand aufnehmen und selbstständig erfolgreich darstellen.
Pauline und Jessica sind die leistungsschwächsten Schülerinnen. Beide sind eng befreundet. Am praktischen Teil der Programmierung haben beide Mädchen durchaus Gefallen gefunden, der abstrakte Stoff dieses Halbjahres bereitet ihnen jedoch Schwierigkeiten. Es fällt ihnen schwer, ihre Gedanken zu formalisieren.
Das Sozialgefüge kann in dieser Kurszusammenstellung als gut bezeichnet werden, da die einzelnen Schülergruppen unterstützend und helfend kooperieren, wenn Schwierigkeiten auftreten. Sie sind motiviert und beteiligen sich interessiert am Unterrichtsgeschehen – vor allem dann, wenn sie durch ihre erfolgreiche Arbeit positiv verstärkt werden oder eigene Ideen einbringen können.
Die Methodenkompetenz der Schüler*innen reicht von der Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit (inklusive der Expertenmethode) bis hin zu Schülerpräsentationen. Da die Schüler*innen häufig ihre Zwischenergebnisse oder Teilprogramme in vorherigen Unterrichtseinheiten den anderen präsentiert haben, können sie vor einer Gruppe frei sprechen und die Ergebnisse am Smartboard darstellen. Die Schüler*innen sind es außerdem gewohnt, Problemstellungen in längeren Arbeitsphasen selbstständig zu erarbeiten.
Testaufgaben
Mit welchen der folgenden Fragen beschäftigt sich die Bedingungsanalyse genauer?
Welche Sozialformen und Methoden lassen sich mit der Lerngruppe gut bzw. schlecht umsetzen?
Welche Lernziele sollen in der Unterrichtsstunde erreicht werden?
Welche fachlichen Kenntnisse haben die Lernenden im Bezug auf das Thema?
Was sind die Rahmenbedingungen der Unterrichtsstunde?
Inwiefern weisen die behandelten Inhalte eine Alltagsrelevanz für die Lernenden auf?
Welche Struktur weist der Inhalt der Unterrichtsstunde auf?
Welche themenbezogenen Interessen könnten die Lernenden haben?
Überprüfen
Ziehen Sie die Wörter in die richtigen Felder!
Zentraler Bestandteil der Bedingungsanalyse sind die des Lehrorts, der und der Lehrkraft. Wichtig beim Verfassen der Bedingungsanalyse ist vor allem, welche diese im Bezug auf die Unterrichtsstunde haben.
Beispielsweise spielt die eine wichtige Rolle bei der Bedingungsanalyse, die hingegen eher nicht.
Überprüfen
Übungsaufgabe
Gegeben sei die folgende Lerngruppe:
Kurshalbjahr: E1 (Gymnasiale Oberstufe, G8)
Grundkurs (Wahlpflicht)
Themenfeld: Grundlagen der Programmierung
Thema: Schleifen
12 Lernende im Alter von 15-16 Jahren
Heterogenes Leistungsniveau (2 Lernende mit Programmiererfahrung, 3 Lernende mit wenig Erfahrung im Umgang mit PC’s, der Rest ist im Mittelfeld einzuordnen)
16 Arbeitsplätze mit verfügbaren PC’s für die Lernenden
Klassenraum verfügt über Beamer und Whiteboard sowie ein interaktives Whiteboard
Aufgabe:
Verfassen Sie den Entwurf einer Bedingungsanalyse. Sie können Ihre Ideen in Stichpunkten notieren, sollten aber voll ausformulierte Sätze schreiben.
Gewisse Informationen, die für die Bedingungsanalyse von Relevanz sind, wurden Ihnen nicht vorgegeben. Überlegen Sie sich diese fehlenden Informationen. Sie können sich dabei an den in der Einleitung erwähnten Aspekten orientieren.
Auf der folgenden Folie finden Sie einen ausformulierten Lösungsvorschlag, dieser ist jedoch nur eine mögliche Lösung und dient lediglich zur Orientierung.
Lösungsvorschlag
Dieser Unterrichtsentwurf wird für die Jahrgangsstufe 10 eines hessischen Gymnasiums entwickelt. Die Lerngruppe besteht aus 12 Schüler*innen, die sich im ersten Halbjahr der E-Phase (E1) befinden und ein Abitur nach der zwölften Jahrgangsstufe (G8) anstreben. Die Schüler*innen befinden sich also im Alter von 15-16 Jahren. Es handelt sich um einen Grundkurs in Informatik, der als Wahlpflichtfach angeboten wird.
Zur Verfügung steht ein Computerraum mit insgesamt 16 Arbeitsplätzen. Jeder Arbeitsplatz ist mit einem PC, einem Bildschirm, einer Tastatur und einer Maus ausgestattet und bietet Platz für zwei Schüler*innen. Die Tische sind in Reihen aufgestellt, je vier Tische bilden eine Reihe. Somit haben alle Schüler*innen einen PC zur eigenen Verfügung und eine gute Sicht auf den Tafelbereich. Hinter dem Lehrerpult ist ein Smartboard angebracht. Des Weiteren besitzt die Schule einen Schüler-Server, auf dem die Schüler*innen ihre Dokumente und Programme ablegen können, um sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzurufen.
Für den Informatikunterricht in einem Grundkurs der E-Phase sind zwei Unterrichtsstunden pro Woche vorgesehen. Diese finden Dienstags in der siebten und achten Stunde von 13:15 Uhr bis 14:45 statt. Mit den Schüler*innen wurde vereinbart, dass der Unterricht zu Gunsten einer fünfminütigen Pause bis 14:50 Uhr stattfindet.
Da Informatik an der Schule erst ab der E-Phase angeboten wird, kommen die Schüler*innen das erste mal innerhalb der Schule in Kontakt mit Informatik. In den ersten zehn Wochen des Schuljahres befassten sich die Schüler*innen mit den im Kerncurriculum der gymnasialen Oberstufe (im Folgenden KCGO) vorgegebenen Themen „E.1: Internetprotokolle“ und „E.2: HTML-Projekt“. Die Lerngruppe konnte dadurch bereits erste Erfahrungen im Umgang mit der Auszeichnungssprache HTML sammeln. Der Zugang zur imperativen Programmierung fiel den Schüler*innen durch das Erlernen von HTML leichter, da Konzepte wie Schachtelung, Klammerung und Einrückung von Code schon bekannt waren.
Bezüglich der Heterogenität der Lerngruppe lassen sich, auf Grund der geringen Anzahl an vorangegangenen Unterrichtsstunden, nur wenige aussagekräftige Angaben machen:
Der Lehrkraft ist bekannt, dass sich 2 Schüler*innen bereits in ihrer Freizeit mit der Programmierung in Java beschäftigt haben. Dementsprechend zeigen sie ein hohes Interesse an neuen Inhalten und sind motiviert, sich mit komplizierteren Problemen zu beschäftigen.
Zu Beginn des Themas „E.2: HTML-Projekt“ sind der Lehrkraft drei Schüler*innen aufgefallen, die Schwierigkeiten im grundlegenden Umgang mit dem PC hatten. Nach drei bis vier Wochen hat sich dieses Problem jedoch weitestgehend gelegt. Es ist trotzdem weiterhin davon auszugehen, dass die genannten Schüler*innen im Umgang mit dem PC etwas mehr Zeit benötigen werden.
Inhaltlich folgte nach dem Thema „E.2: HTML-Projekt“ der Bereich „E.3: Grundlagen der Programmierung“. Für die Programmierung wird, wie bereits erwähnt, die Sprache C++ verwendet. Bereits vier Stunden wurden zum Thema der Programmierung gehalten, inhaltlich wurden unter anderem einfache Datentypen (Integer, Char, Boolean) und deren Anwendungsbereiche behandelt. Der Umgang mit Variablen und Wertezuweisung wurde ausführlich geübt und wird von allen Schüler*innen auf einem guten Niveau beherrscht.
Die ASCII-Kodierung und deren Anwendung im Bezug auf die Umwandlung des Datentyps ‚Char‘ zum Datentyp ‚Integer‘ und entgegengesetzt ist den Schüler*innen bekannt und wurde geübt. Die Berechnung mit Hilfe der arithmetischen Grundoperationen ist einem Großteil der Schüler*innen sehr leicht gefallen. Anhand der Programmierung eines Taschenrechners wurde der Umgang mit diesen Grundlagen ausreichend gefestigt.
Die Verwendung von if-Anweisungen und booleschen Ausdrücken ist einigen Schüler*innen schwer gefallen, was daran zu beobachten war, dass ihnen hin und wieder Fehler bei der Programmierung unterlaufen sind. Es sind also wahrscheinlich noch Verständnisprobleme bezogen auf die Bedingungsprüfung vorhanden. Der strukturierte Datentypen ‚String‘ wurde bereits eingeführt, Arrays hingegen noch nicht. Den Schüler*innen ist bekannt, wie auf einzelne Stellen eines Strings zugegriffen werden kann. Probleme sind dahingehend nur entstanden, da die Schüler*innen immer wieder vergessen haben, dass die Indizierung bei 0 und nicht 1 startet.
Die Schüler*innen besitzen im Allgemeinen eine gute Konzentrationsfähigkeit, im Laufe des Nachmittags lässt die Aufmerksamkeit jedoch etwas nach. Die Motivation der Schüler ist im Mittel recht hoch, einige Schüler*innen beschäftigen sich auch außerhalb der Schule mit der Programmierung. Selbst schwächere Schüler*innen arbeiten meist fokussiert an ihren Aufgaben, was an der geringen Teilnehmerzahl des Kurses liegen könnte. Diese Motivation ist außerdem darauf zurückzuführen, dass es sich bei dem Kurs um ein Wahlpflichtfach handelt und die Schüler*innen somit vermutlich ein gewisses Maß an grundlegendem Interesse mitbringen. Die Größe des Kurses trägt zu einem sehr entspannten sozialen Klima innerhalb der Lerngruppe bei. Die Schüler*innen besuchen teilweise die gleichen Grundkurse, wodurch auch außerhalb des Informatikunterrichts Kontakt herrscht. Weiterhin ist zu beobachten, dass sich vor allem die Schüler*innen mit den gleichen Orientierungskursen zusammenfinden und bevorzugt gemeinsam arbeiten. Der gegenseitige Umgang, auch mit der Lehrkraft, ist stets respektvoll.
In Bezug auf Arbeitstechniken sind den Schüler*innen gängige Methoden wie die Partnerarbeit geläufig; diese lässt sich problemlos mit der Lerngruppe umsetzen. Die sozialen Umstände führen häufig zur gleichen Partnerbildung, welches aber kein Problem darstellt, da sich die Schüler*innen meist ruhig verhalten und sich auch kein Beteiligter dem Arbeitsprozess entzieht.
Anhand vergangener Partnerarbeiten ließ sich allerdings beobachten, dass die Schüler*innen unruhig und unproduktiv werden, wenn sie keinen direkten Arbeitsauftrag mehr haben oder die Aufgabenstellung unklar formuliert ist.
Die Methode „Think – Pair – Share” wurde bereits mehrmals mit Erfolg in der Lerngruppe praktiziert. Die Schüler*innen kennen die Bestandteile und die Abfolge der einzelnen Phasen. Gruppenarbeiten wurden mit der Lerngruppe noch nicht durchgeführt. Auf Grund der positiven Erfahrungen mit vergangenen Partnerarbeiten und einem guten sozialen Klima bestehen allerdings wenig Zweifel daran, dass diese Methode ebenfalls erfolgreich sein wird.
Die Einzelarbeit kann in Stille stattfinden, selbst wenn die Lerngruppe zuvor etwas unruhig war. Vor allem nach längeren Partnerarbeiten zeigte sich in der Vergangenheit, dass eine Einzelarbeit die Konzentrationsfähigkeit der Schüler*innen wieder steigern konnte.
Die Sozialform des Frontalunterrichts funktioniert bis zu einem gewissen Maß problemlos. Zu lange Phasen führen jedoch zu Unaufmerksamkeit seitens einiger Schüler*innen, die jedoch durch geeignete Arbeitsaufträge während des Lehrervortrags auf ein Minimum reduziert werden kann.
Literatur
Klüver, Christina; Klüver, Jürgen (2012): Lehren, Lernen und Fachdidaktik: Theorie, Praxis und Forschungsergebnisse am Beispiel der Informatik. Wiesbaden: Vieweg+Teubner.
Meyer, Hilbert (2018): Leitfaden Unterrichtsvorbereitung. Berlin: Cornelsen.